Immer wieder dieser Traum

22. Mar 2021 | Franzi K.

Franzi ist sich sicher Fantasie von Realität unterscheiden zu können, doch wieso immer wieder der selbe Traum? Franzi erzählt wie aus Fantasie Wirklichkeit wird.

Foto: Ivan Oboleninov

Es ist Frühling 2017 und ich wache, wie so oft schweißgebadet auf. Damals ging es mir nicht gut. Ich war kurz zuvor in eine neue Stadt gezogen und hatte den Job gewechselt. Richtig angekommen war ich auch nach fast einem Jahr nicht und weit entfernt von einer zufriedenen Arbeitssituation.

In dieser Zeit begleitete mich immer wieder ein Traum:

Ich liege im Bett, in einem dunklen Raum. Durch das Fenster scheint ein wenig Licht von der Straße herein. Mitten in der Nacht wache ich plötzlich auf, ich höre Geräusche im Zimmer. Ich liege auf der Seite, öffne meine Augen und schaue in das Bett, schräg gegenüber. Dort sehe ich meine Mutter und einen Mann. Der Mann kommt mir sogar bekannt vor; - einer der Trainer des Schwimmvereins, der meine Familie angehörte. Schnell schließe ich wieder die Augen und der Traum ist vorbei.

Ich versuchte mir den Traum irgendwie zu erklären.

Nach diesem Traum fühlte ich mich immer komisch. Es schien mir irgendwie real, als hätte ich es selbst erlebt, aber dann auch wieder nicht. Warum sollte meine Mutter mit einem anderen Mann im Bett liegen? Und wo war im Traum mein Vater?
Dieser Traum begleitete mich schon sehr lange; mal mehr mal weniger intensiv. Ich versuchte mir diesen Traum irgendwie zu erklären. Ich begründete ihn mit der Differenzen, die in meiner Familie zwischen meinen Eltern, meinem Bruder und mir auftraten.
Wir waren zum Teil grundverschieden. Meine spontane und manchmal auch unbedachte Art, stieß meinen Eltern und meinem Bruder meist auf Unverständnis.

Um zu sehen was die Welt noch zu bieten hat, wechselte ich zum Beispiel relativ spontan einfach den Job, obwohl ich einen unbefristete Anstellung hatte. Für meine Familie war das völlig unverständlich; ich solle doch zufrieden sein mit dem was ich habe und keine sinnlosen Risiken eingehen. Vielleicht habe ich mir aufgrund solcher Situationen unterbewusst vorgestellt, dass ich nicht zu 100% zu meiner Familie gehöre und habe versucht, das mit diesem Traum immer wieder zu verarbeiten.

Da sich dieser Traum häufte, beschloss ich irgendwann, dem Ganzen endlich auf den Grund zu gehen. Aber ich wusste nicht genau wie:

Vielleicht eine Therapie?
Meine Mutter darauf ansprechen?
Meinen Bruder ins Vertrauen ziehen?
Ich drehte mich im Kreis. Und meine Gedanken auch.

Spurensuche

Doch kurz darauf kam der Tag, an dem ich meine Mutter besuchte und wir tranken gemeinsam Sekt. Es war eine lockere Rede-Atmosphäre und wir tranken ein Glas nach dem anderen. Als ich mir genügend Mut angetrunken hatte, erzählte ich ihr von dem Traum und fragte sie, welche Bedeutung sie darin sieht beziehungsweise ob sowas gewesen sein könnte.

Und dann kam die Antwort meiner Mutter, die ich nie erwartet hätte: „Ja, es war so. Du hast es dir nicht eingebildet. Ich hatte lange eine Affäre mit Rainer.“

Hatte ich gerade richtig gehört? War dieser Traum doch Realität? All meine jahrelangen Begründungen, die ich mir für diesen Traum zurechtgelegt hatte, lösten sich in Luft auf. Ich hatte nicht geträumt; es war die Realität. Mich überkam ein Glücksgefühl, wie ich es noch nie empfand. Es war keine Einbildung, sondern ich träumte immer wieder das, was ich als Kind sah. Dieses Glücksgefühl hielt jedoch nicht lange an.

Fragen über Fragen

Sofort stürmten alle möglichen Fragen auf mich ein. Wie lange ging die Affäre? Wusste mein Papa davon? Und wer wusste noch davon? Ich stellte an diesem Abend noch viele Fragen und bekam von meiner Mutter offene und ehrliche Antworten. Aber eine Sache ließ mich auch danach nicht los. Die Affäre ging bereits vor meiner Geburt los und ging nach meiner Geburt weiter. Konnte es also sein, dass er mein Vater ist? Meine Mutter verneinte dies klar, da die beiden zu diesem Zeitpunkt eine Pause hatten. Aber ich konnte es nicht vergessen.

Ich vertraute mich meinem 16 Jahre älteren Bruder an. Er konnte es nicht glaube, da er aufgrund seines Alters die Affäre hätte mitbekommen müssen, meinte er. Zudem hatte er kein Verständnis für meine gewagte These, dass Rainer mein Vater sein könnte. Da ich mich selbst nicht traute Rainer nach einem Gentest zu fragen, fragte ich meinen Bruder nach einem Geschwistertest. Er lehnte dies aber ab, da es außer der Affäre keine anderen Hinweise gab. Ich war enttäuscht, aber musste ihm auch Recht geben. Wenn meine Mutter sagt, dass es da eine Pause gab, dann wird das auch so sein. Meine Mutter sprach auch davon, dass sie den Zeugungszeitpunkt genau eingrenzen könnte, weil sie da im Urlaub waren. Also wozu Sorgen machen?

Also wozu Sorgen machen

Nun begann eine Zeit in der ich auf der einen Seite, zufrieden war mit den neuen Informationen und auf der anderen Seite, nagte der Zweifel an mir. Ich verdrängte Vieles und fasste auch in den anderen Lebensbereichen wieder neuen Mut. Es vergingen zwei Jahre. Dann wurde ich von der Arbeit aus auf ein Führungskräfteseminar geschickt. Thema war Persönlichkeitsentwicklung. Wir führten Persönlichkeitstest durch und wurden dann in vier verschiedene Gruppen eingeteilt: dominant, initiativ, stetig, gewissenhaft.

Meine Persönlichkeit wurde zu großen Teilen als initiativ beschrieben. Initiative Menschen sind spontan, kommunikativ, gut gelaunt und es geht ihnen größtenteils darum, dass sich alle wohlfühlen. Sie brauchen Menschen um sich herum. Ich konnte mich direkt damit identifizieren.

Wie kann es sein, dass aus einer dominanten Mutter und einem stetigen Vater eine initiative Tochter wird?

Abends saßen wir mit den Trainern zusammen und wir kamen ins Gespräch. Eine Frage brannte mir schon den ganzen Tag auf der Seele und jetzt konnte ich sie endlich stellen: „Wie kann es sein, dass aus einer dominanten Mutter und einem stetigen Vater eine initiative Tochter wird?“

Die folgende Antwort überraschte mich: „Dies kann passieren, wenn beide Elternteile so unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Sie sind in diesem Fall zu sehr damit beschäftigt die Differenzen, die dadurch entstehen, zu lösen und das Kind holt sich in dem Fall die Aufmerksamkeit von anderen Menschen und bildet eine initiative Persönlichkeit aus“. Diese Information brachte mich erneut ins Grübeln. Zum einen war es logisch, da meine Eltern so grundverschieden waren und zum anderen war sicherlich auch die Affäre belastend für ihre Beziehung. Aber das Gefühl, dass dies nicht alles war, war wieder da. Und diesmal ließ es sich nicht ignorieren.

Du bildest dir das doch alles bloß ein.

Ich redete mit Freunden und Bekannten darüber. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Von „du bildest dir das ein“ bis „vertrau auf dein Bauchgefühl und geh dem Ganzen nach“ war alles dabei.

Es verunsicherte mich teilweise, dass mich, mir nahestehende Personen, nicht richtig ernst nehmen - zumindest wirkte es so auf mich. Mein Kopf fand keine Ruhe mehr, deshalb nahm ich nochmal allen Mut zusammen und fragte meinen Bruder erneut nach einem Geschwistertest. Ich merkte, dass er nicht 100% dahinter stand, aber mir zu Liebe zustimmte. Ich bestellte einen Test im Internet, fuhr direkt zu meinem Bruder und wir führten den Test durch. Das Material schickte ich an das Testinstitut zurück. Dann folgten zwei Wochen des bangen Wartens…

Das war nur der erste Teil, denn die Geschichte geht natürlich weiter.

Habt ihr auch eine Geschichte erlebt die ihr unbedingt mit anderen teilen möchtet? Wenn ihr euch wohler fühlt natürlich anonym und wir können gemeinsam alle erkenntlichen Details verändern. Schreib uns einfach unter fairdentity@gmx.de.

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